Schaffhausen Schweizerhof – Umbau und Renovation 2010-2014



Kantonale Denkmalpflege Schaffhausen: Flurina Pescatore, lic. phil.

Baubegleitung und Bericht: Renzo Casetti, dipl. Arch. ETH, Zürich

Bauherrschaft: Kornhaus Liegenschaften Schaffhausen AG

Ausführung Architekten: ABR & Partner AG, Schaffhausen

Internetanwendung: www.picofilm.ch


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Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung 4

1.Teil: Unter- und Erdgeschoss 5

1 Die Treppenhäuser

2 Betondecke Erdgeschoss und Stützen

3 «Schlaglichter» zur Geschichte des Hauses 7

Sandstein Eckpfeiler und Schaufenster in die Halle

4 Hinweistafeln auf Fäkalien-Gruben 8

5 Mauerwerk

6 Gipsdecken 1892 und Täferdecken 1956 9

7 Konsol- und Schlusssteine / Sandsteingewände 10

8 Einrichtung Raumaufteilung SPAR 11

9 Gewölberaum (Postomat) und Keller 12

10 Untergeschoss Ausgrabungen und Auffüllung 13

11 Umgebung Hof

2.Teil: 1. und 2. Obergeschoss 14

12 Die Treppen

13 Wände

14 Decken und Böden 16

15 Kamine und Beheizung 17

16 Statische Sanierungsmassnahmen EG, 1. und 2. OG 19

17 Installationen späterer Zeiten: Segen oder Fluch? 20

18 Tapeten 21

3. Teil: Fassaden 22

19 Giebelfassaden Süden und Westen

20 Ansicht Norden 23

21 Ansicht Südwesthof 24

22 Ansicht Osten 25

23 Fenster

24 Steinhauerarbeiten 26

25 Äussere Farbgebung 27

26 Innere Farbgebung

4. Teil: Dachgeschosse

27 Dreigeschossiger Dachstuhl 29

28 Dachstuhlsanierung 30

29 Fassadensicherung 31

30 Dacheindeckung 32

31 Fundgegenstände Vergleichsobjekte der Region 33

32 Zusammenfassung / Schlussfolgerung 35

Wichtige Daten und Quellenlage 37


1-32 Bilderordner DVD








Vorbemerkung zum Denkmalpflegekonzept:
Anstelle einer eigentlichen Bauuntersuchung zum Schweizerhof, vormals «Scheibenhof» oder «neuer Salzhof» genannt (1529/30) wurde eine Bestandesaufnahme mit Würdigung des Gebäudes im bewohnten Zustand
1 und eine Dokumentation des Vorzustands mit Schutzumfang und Erhaltungskatalog im mehrheitlich geräumten Haus 2 erstellt. Dies hatte zur Folge, dass erst während der Bauzeit auf die verschiedensten Gegebenheiten, sprich Überraschungen, reagiert werden musste. Die Vorahnung des desolaten baulichen Zustands des Gebäudes an Hand der Erdgeschossdecke bestätigte sich leider während den Freilegungs- und Abbrucharbeiten auch in den Obergeschossen. In den drei Dachgeschossen hielten sich die Reparaturmassnahmen im erwarteten Rahmen. Nichtdestotrotz stiess man bei Abbruch- und Freilegungsarbeiten auf einige wenige interessante Baudetails, welche Hinweise auf Entstehung, Konstruktion und das Schicksal dieses Gebäudes ergaben. Sie zu erhalten und auch zu zeigen, führte zu einem besonderen Denkmalpflegekonzept. Ich nenne es «historische Schlaglichter». Kein einziger Raum, mit all seinen Oberflächen, war in seiner ursprünglichen Gestalt noch erhalten. Umso interessanter waren die Einblicke in Veränderungen des Gebäudes. Diese Einblicke in die Bausubstanz ermöglichen nun, wenn auch in bescheidenem Masse, einen interessanten «Lehrpfad» durch die Geschichte des Hauses.









1.Teil: Unter- und Erdgeschoss


Pläne Bestandesaufnahme3/Ausführungsplan4/Einrichtung Spar5


1 Die Treppenhäuser
Durch die neue horizontale Wohnnutzung in den Obergeschossen gingen die verschiedenen Erschliessungstreppen der einstigen «Scheibenhäuser» verloren.


E.02 E.04 E.10 E.14

E.18 E.19


Die beiden neuen, nach heutigen Regeln – brandsicher und in geforderter Treppenbreite – erstellten Treppenhäuser mit Lift, beanspruchen zusammen beinahe die dreifache Fläche der alten Erschliessungen. Das Treppenhaus gegen den Freien-Platz hin ist bewusst, im Hinblick auf den einmaligen Dachstuhl, mit grossem Luftraum und entsprechenden Durchblicken gestaltet. Dank der freiwillig eingebauten Sprinkleranlage kann die fächerartige Balkenlage des Dachgeschosses vom Erdgeschoss aus erahnt werden. Auch wird dadurch die Schrägstellung des Lifts verständlich.


2 Betondecke Erdgeschoss und Stützen
An eine Erhaltung der desolaten Erdgeschoss-Holzbalkendecke im Südflügel war leider nicht mehr zu denken.
6 Der Einzug einer soliden Ebene zusammen mit den neu betonierten Treppenhäuser unterstützt die Stabilität des ganzen Gebäudes bis ins Dachgeschoss. Die Balkenlage war im Bereich der einst offenen Halle und des späteren Restaurants mehrfach gebrochen und die Auflager verfault. Im Eckbereich der beiden Gebäudeflügel war das Gebäude akut einsturzgefährdet. Die früher eingefügte Stahlkonstruktion war ungenügend. Gebrochene und fragwürdig geflickte durchgehende Balken waren keine Seltenheit. Die noch brauchbaren Balken wurden jedoch ausgelagert. 7 Sie finden teilweise als Estrich-Boden im zweiten Dachgeschoss im Südflügel wieder eine Verwendung. 8 Um die Nord- und Ostfassade zusätzlich zu sichern wurde die Betondecke im Bereich der Eingänge Unterstadt 1 und Freier Platz 4 erweitert (vgl. Plan Erdgeschoss). Die vorerst geplante Erhaltung der teilweise noch an originaler Stelle liegenden Konsolsteine konnte nicht realisiert werden. Die Statik forderte zu grosse Dimensionen der neuen Decke. Die ca. 40 cm starke Beton-Platte ermöglichte die unsichtbare Unterbringung praktisch aller Ablaufrohre der Wohnungen. Die weiteren Installationen wurden soweit als möglich an der Deckenmitte angebracht, wodurch auch die Betondecke am Rand gezeigt werden kann und die belassenen Schlusssteine ihre Wirkungen weiterhin entfalten können. Die vorgelagerten Betonstützen der neuen Betondecke wurden handwerklich überarbeitet, d. h. gestockt. Dies aus Rücksicht auf den handbearbeiteten Sandstein und zur Verhinderung einer individuellen Farbgebung durch den Nutzer.


E.03 E.15 1.14 E.17 E.17 E.17 E.17



3 «Schlaglichter» zur Geschichte des Hauses9


Sandstein Eckpfeiler und Schaufenster in die Halle
Bei der Freiräumung des Restaurants erwiesen sich vor allem der imposante Sandsteineckpfeiler sowie die Sandsteinbögen im oberen Teil als gut erhalten. Der Bauherr und alle Beteiligten waren von der Wirkung der verwitterten, immensen einstigen Bollenquader beeindruckt. Diese freigelegte Ecke gab den Anstoss zu weiteren
Schlaglichtern. Ihr Zustand bestätigte auch, dass die Halle lange Zeit offen war. (Bild: Hans Wilhelm Harder 1854). Der Entschluss zu grossflächigen Verglasungen war damit gefallen. Diese passen weit besser zur einstigen Lager- und Markthalle, als die vorgesehene Sprossenteilung. Der innenliegende Sonnenschutz erfolgt von unten nach oben und stellt weder von innen noch von aussen eine Beeinträchtigung der historischen Halle dar. Ein interessantes Detail: Die Ladengeschäfte aus dem Jahr 1892 hatten ihre Rollläden auch unten in der Brüstung versteckt im Gegensatz zum Eingabeplan 1892.


E.03 E.03 E.17 E.07 E.12 E.17 Dok


4 Hinweistafeln auf Fäkalien-Gruben
An der Innenwand des Westflügels befindet sich südseitig eine 1936 freigelegte bzw. kopierte Sandsteintafel mit dem Hinweistext auf eine «Ertzgrube» aus dem Jahr 1561. Bei der aktuellen Renovation wurde die zweite in den Quellen erwähnte Tafel an der westlichen Innenwand des Südflügels entdeckt und ebenfalls freigelegt
10 . Beide Hinweistafeln sind am vorgefundenen Ort erhalten geblieben. Die interessantere ist im Original, mit allen Altersspuren, zurzeit geschützt hinter den Kühlregalen versteckt. Dagegen ist die Erste in einer Nische im westlichen Treppenhaus sichtbar. Diese Tafel ist eine Kopie. 11 Die Öffnung in der neuen Treppenhauswand erlaubt zudem einen Blick auf die originale innere Tragwand aus der Erbauungszeit.


E.03 E.03 E.03 E.17 E.17 E.03



5 Mauerwerk
Allzu oft haben Bauherrschaft, Bauführung und weitere am Bau Beteiligte vor der inneren Tragmauer des Ostflügels gestanden, gestaunt und gerätselt, was da wohl alles verbaut wurde – vor 500 Jahren! Das unverputzte Feld gibt einen Einblick in diese vielfältige Vergangenheit. Wiederverwendungen von Baumaterial waren damals eine Selbstverständlichkeit. Bei den neuen Durchbrüchen fällt die Stärke der inneren Tragwand besonders auf. Sie hat nur die Höhe des Erdgeschosses. Die innen errichteten Zwischenwände sind leichter in Fachwerkbauweise konstruiert. Die Materialen der Ausfachungen bestehen aus Bruch- oder Ziegelsteinen. Im 1. Obergeschoss im Raum 1.11 fand man zwei Sinnsprüche. Diese wichtige Entdeckung ergab ein weiteres „Schlaglicht“. In den Räumen 1.17, 1.18, 1.26, 1.29, 1,31 sowie im Treppenhaus des Südflügels finden sich weitere Einblicke in die verschiedenen Konstruktionsarten der Wände und Decken.


E.17 E.15 E.12 1.29/2.29


6 Decken Gips- 1892 und Täfer 1956
Die Gipsdecke über dem legendären Tabakladen wollte man vorerst erhalten. Sie wurde jedoch rekonstruiert. Die Kontrolle der Balkenlage drängte sich auf. Sie bedurfte keiner Verstärkung, dafür kam eine Streifbalkensanierung aus dem Jahr 1893 zum Vorschein. Im Kontrast zur roh belassenen Betondecke im Eingangsbereich, verweist diese Lösung nun auf die ehemals kleineren Räume. Die verlorene Gipsdecke im Restaurantbereich hatte keine Deckenmalerei, dafür erhielt sie im Laufe der Zeit eine eindrucksvolle Nikotinpatina. Alle vorhandenen Gipsdecken wurden rekonstruiert. Einzig in einem Raum (1.07) konnte das Original erhalten werden. Die Rekonstruktion wurde nicht gezogen sondern zusammengesetzt.(2.07)


E.12 E.13 1.07

2.08 2.07 2.07 2.07


Zu den fragmentarisch erhaltenen Malereien aus dem späten 19. Jahrhundert an den Gipsdecken im Südteil des Westflügels liegen zwei Fachmeinungen vor. 12 Beide vertreten die Ansicht, dass es sich dabei um ein erhaltenswertes Kulturgut handelt.
Ein «Schlaglicht» konnte auch hier gezeigt werden. Man hat sich auf die aussagekräftigste und am wenigsten beschädigte Stelle beschränkt. Die ganze übrige Decke wurde wie vorgefunden im Abstand des Randprofils abgedeckt. Die Malereien wurden vermutlich in den 1950er Jahren mit einer Calicot-Bespannung vollflächig überklebt. Bei der unsachgemässen Ablösung gingen leider sehr viele Farbstellen verloren. Die Decke liesse sich aber auf Grund der noch vorhandenen Unterlagen rekonstruieren. Das Fenster ergibt nun wenigstens einen winzigen Blick in den einstigen Tanzsaal. Der Entstehung dieser Malerei und der Suche von Parallelbeispielen in Schaffhausen müsste noch nachgegangen werden. Eigentliche Schutzmassnahmen stehen noch aus. Auch die schlicht profilierte Gipsdecke im Südflügel wurde 1956 durch eine gebogene Fastäferdecke verdeckt und dabei reichlich beschädigt. Die statischen Verhältnisse erforderten wie bereits erwähnt die Entfernung beider Decken.


E.03

E.17 E.15


7 Konsol- und Schlusssteine / Sandsteingewände
Diverse Konsol- und Gewölbe-Schlusssteine haben an den verschiedensten Orten und Lagen verschiedenste bauliche Eingriffe überlebt. Einige von ihnen sind noch integral erhalten, etliche sind beschädigt, fehlen ganz oder aber es gab sie nie (Torbogen 1956). An diesen Bauteilen wurde nichts verändert. Man beliess sie im angetroffenen Zustand. Bereits früher drängten sich Massnahmen zur Sanierung von Konsolsteinen auf, denn die Abstützung der Streifbalken war für die Beständigkeit des Gebäudes lebenswichtig. Sandsteingewände in den Aussenmauern entlang der Unterstadt und des Freien Platzes belegen auch hier weitere Bogenöffnungen.
13 Grundsätzlich beliess man diese Spuren in den Mauern. So sind auch die Bogenansätze noch erkennbar.


E.01 E.17 E.19 E.03 1.05



8 Einrichtung Raumaufteilung SPAR
Wie weit hat die Denkmalpflege Einfluss auf Einrichtung und Erscheinungsbild eines Nutzers? Das Konfliktpotential mit der Denkmalpflege war dank der grundsätzlichen Wertschätzung der Räumlichkeiten durch den neuen Nutzer verkraftbar. Drei grosse Durchbrüche durch die mittleren Tragwände von 1529 waren unumgänglich. Alle grossen Öffnungen in massivem Mauerwerk erfolgten früher mittels Rundbögen. Die geraden Stürze entsprächen den Massnahmen des Schaufenstereinbaus entlang der Unterstadt 1896. Weitere bauliche Änderungen erfolgten, um z. B. die Wirkung des imposanten Eckpeilers nicht zu beeinträchtigen. Im Bezug auf die Einrichtung und Organisation war der Einfluss beschränkt. So war es nicht möglich, das grosse Gestell an der Westseite in zwei kleinere aufzuteilen um bei jedem Fenster einen Ausblick zu erhalten. Das intensive Farbkonzept und die Materialpalette von SPAR vertragen sich mit dem neuen, alten Raum und seiner Gestalt dagegen nicht schlecht. Die wichtigsten Infrastrukturinstallationen sind in der Mitte an der Decke unter einer Blende angeordnet, damit die historischen Wände und Bögen nicht allzu stark beeinträchtigt werden.


E.17

E.15


9 Gewölberaum (Postomat) und Keller
Im Anschluss an die offene Lagerhalle befindet sich im Südflügel der einzige Gewölberaum im ganzen Gebäude. Als feuer- und einbruchsicherer Ort diente er vermutlich als Tresorraum. Heute befindet sich darin sinnigerweise ein Postomat. Schräg darunter, in Richtung Norden, liegt ein älterer Keller, in Richtung Süden ein 1956 errichteter Bierkeller.


UGS UGW


10 Untergeschoss Ausgrabungen und Auffüllung
Die archäologischen Grabungen legten die Grundmauern der Vorgängerbauten frei (vgl. Plan Untergeschoss). In einem kurzen Bereich der inneren Tragwand des Südflügels sind sie deckungsgleich und auch die Südostecke steht auf der Grundmauer des Vorgängerbaus. Das Haus wurde 1529 aber von Grund auf neu erstellt.
14 Im Hinblick auf eine möglichst vielfältige Nutzung des Gebäudes wurde sicherheitshalber eine grosszügige Unterkellerung des ganzen Hofes geplant, was weitreichende archäologische Grabungen ermöglichte. Im Laufe der Zeit zeigte sich jedoch, dass diese teure Unterkellerung nicht absolut notwendig war. Die archäologischen Untersuchungen sind nun abgeschlossen, ohne dass die Funde zerstört wurden. Diese sehr seltene Situation hat auch einen denkmalpflegerischen Vorteil: Im Hof könnten wieder Bäume gepflanzt werden. Der 1956 erstellte kleine Bierkeller wurde wieder aufgefüllt und die Hurdisdecke entfernt. Neu unterkellert wurde schliesslich nur der Südteil des Westflügels. Er beherbergt die Nebenräume der zehn Wohnungen, die Energiezentrale sowie die Kühlräume von SPAR.


E.03 E.17 Hof SO


11 Umgebung Hof
Im Hof standen noch fünf von ursprünglich sechs ca. siebzig jährigen Rosskastanien. Ein unsachlicher Kopfbaumschnitt verursachte bei einigen Bäumen eingefaulte Klappstellen. Eine Terrainerhöhung um fünfzig Zentimeter und die Schaffung eines Kiesplatzes mit Verkehr zeigten ihre Folgen an den Pflanzen. Die Wunden der Anfahrschäden verfaulten ebenfalls und die Bäume verwurzelten stark, sodass an eine Absenkung des Platzes auf das Strassenniveau nicht mehr zu denken war.
Das, von der Bauherrschaft in Auftrag gegebene Fachgutachten, rät von einer Erhaltung der Kastanien ab und empfiehlt eine Neupflanzung.
15


Hof Hof Hof

Hof Hof Hof



2.Teil: 1. und 2. Obergeschoss


12 Die Treppen
Es gab keine zwei gleichen Treppenläufe in diesem Gebäude. Einzig die Treppen bei den Giebelfassaden führten gradläufig und übereinanderliegend in das Dachgeschoss. Das hing vermutlich mit den Aufzugsöffnungen an den südlichen Giebelfassaden zusammen. Die vielen unterschiedlichen Treppen erschwerten die Orientierung im ganzen Gebäude. Viele originale, stark abgetretene Stufen waren noch vorhanden und wurden früher nach Bedarf aufgedoppelt. Die einst vornehmste, als einzige nur in einem Geschoss um einen Viertel gewendelte Treppe des Hauses Unterstadt 5 ist aus handwerklicher Sicht wohl einer der grösseren Verluste, obwohl sie nicht aus der Erbauungszeit des Gebäudes stammen dürfte. Dafür hat eine einzige ehemalige Erschliessung des Hauses Freier Platz 4 in räumlicher Hinsicht ansatzweise
«überlebt». Der sehr schmale Treppenraum ist in der neuen Wohnung noch erlebbar. (2.21) Er lässt sich schwer möblieren, ergibt aber eine sehr interessante Lichtführung in den tiefen Grundriss der neuen Wohnung.


1.18 1.09 1.09 DW 1.25 2.21 2.21 E.19 2.10


13 Wände
Ab dem 1. Obergeschoss handelt es sich um einen Riegelbau mit massiven Aussenmauern. Die Ausfachungen der Binnenmauern bestehen aus verputzten Bruchsteinen und verschiedenen Ziegelsteinarten in verschiedenster Verarbeitung. Einzige Ausnahme bildet die massive Zwischenwand des ersten und zweiten Hausteils des Westflügels. Im ganzen Gebäude wurden im Laufe der Zeit an den Wänden kleine Veränderungen vorgenommen, nicht immer zum Vorteil der Statik. Da die dendrochronologischen Datierungen
16 des Holzwerks jedoch sehr einheitlich sind, treffen wir hier auf eine bald 500-jährige weitgehende intakte Raumstruktur. Ganz wenige Hölzer stammen aus dem 17./18. Jahrhundert. Vereinzelt kamen Wände mit bemalten Ausfachungen zu Tage. Zwei Sinnsprüche bilden den Höhepunkt der Funde aus dem 18. Jahrhundert? 17 Einer liess sich bis jetzt entziffern:


«Den besten Fründ den du magst han

Der wird dich nüd Im tod will lon

Das ist Gott lieb der in Begertt

Die andern Fründt seind nichtes wert.»


Diese Entdeckung verursachte eine grössere Projektänderung, damit diese Wand integral erhalten werden konnte.


1.31 2.01 1.11 1.11 1.11 2.36 1.23 1.17 DW DW



14 Decken und Böden
Interessant ist die unterschiedliche Anordnung der Balkenlagen im Erd-, 1. und 2. Obergeschoss. Im Erdgeschoss stossen die Balken im Scheitel des Flügelbaus auf Gehrung aufeinander, während sie im 2. Obergeschoss gefächert über den Scheitel hinweg verlegt wurden. Im 1. Obergeschoss wurde nur im Westflügel die Fächerung übernommen. Im Südflügel verlaufen die Balken senkrecht zur Aussenwand.
18 Besonders eindrücklich sind die minimale Behandlung der Stämme und die wechselseitige Verlegung der durchgehenden Balken in allen Geschossen. Das Oben und Unten der ganzen Stämme ist sichtbar. Originale Decken aus der Erbauungszeit waren nirgends mehr anzutreffen. Etliche Böden und Blindböden mit Deckleisten aus der Erbauungszeit dagegen waren noch vorhanden und einst auch sichtbar. Sie wurden zum Teil mehrfach überstrichen.
Die Stuckdecken aus dem 18. Jahrhundert (?) im 2. Obergeschoss wurden mit einer Ausnahme kopiert. Ihr baulicher Zustand rechtfertigte keine Erhaltung mehr. Zusätzliche Feuchtigkeitsschäden während der Bauzeit setzten ihr zu.

Im Westflügel blieben die Blindböden etwa zur Hälfte erhalten. Verschiedenste Setzungen ergaben im Laufe der Zeit sehr grosse, bis ca. 30 cm hohe Niveaudifferenzen. Im Hinblick auf die neue horizontale Nutzung der Geschosse, stellte dies eines der schwierigsten Probleme dar. Dank der relativ gut bemessenen Geschosshöhen und einigen unvermeidlichen Schwellen und Stufen ist die Situation jedoch tragbar. Früher wurden alte Böden belassen und weitere daraufgelegt. Es gab Stellen mit vier Generationen Bretterböden. Im ersten Hausteil des Westflügels wurde Spreu und Stroh als Auffüllung benutzt. Einige Böden wurden unter Verwendung des noch vorhandenen und brauchbaren Materials ersetzt. Um die Schüttung gegen unten zu isolieren verwendete man auch Zeitungen. Dank einer Todesanzeige in der NZZ konnte die Massnahme ins Jahr 1892 datiert werden. (NZZ Nr. 54).


2.30 1.14





1.18 1.32 1.11 1.29 2.06 1.33 1.33




15 Kamine und Beheizung
Die Hauptkamine belegen die Quellen, wonach es sich um sieben Behausungen handelte.
19 Die Öfen waren meistens kombiniert mit einem offenen Rauchfang in der Küche. Beim grössten Kamin im Scheitel der beiden Flügel liess sich das noch nachvollziehen. Der Kamin endet im 1. Obergeschoss (Kachelofen und Alkove später?). Die noch vorhandenen Kachelöfen stammten alle aus dem 19. Jahrhundert. Zwei wurden abgebaut und eingelagert. Der Letzte, ohne Heizfunktion, sollte als Schlaglicht erhalten bleiben. Beim Schlussausbau erwies sich das Unterfangen jedoch als wenig sinnvoll. In dem ursprünglichen Zustand wurde nur im 1. Obergeschoss geheizt. Die späteren Etagenwohnungen wurden mittels verschiedenen sehr zweifelhaften Heizsystemen beheizt. Von Zimmeröfen mit z.T. jüngeren Kaminen über eine partielle Ölzentral- bis zu Gasheizungen waren anzutreffen. Etliche Installationen müssten aus heutiger Sicht als fahrlässig bezeichnet werden.


3.02 2.22 1.24 2.20 1.13 1.30 1.05 1.32 1.32 1.28 1.06 2.21 1.22 3.30DG






16 Statische Sanierungsmassnahmen EG, 1. und 2. OG
Im Zustand der freigelegten Balkendecken kamen viele abgefaulte Auflager an den Aussenfassaden zum Vorschein. In den meisten Fällen wurden sie mittels neuen Zangen saniert d.h. wieder verlängert.
20 Viele Reparaturen zur Sicherung der Statik bei Umbauten in früheren Zeiten zeigten, dass das Gebäude schon früher diesbezüglich Probleme aufwies.
Eine massive Sanierung erfolgte zur Rettung der einsturzgefährdeten zwei gotischen Fenster im ersten Geschoss des Westflügels. Ein über beide Öffnungen durchgehender Stahlträger wird von einem konisch nach oben breiter werdenden extrem massiven Betonpfeiler abgestützt. Aus Respekt einem noch grösseren Eingriff, wurde diese Massnahme nicht rückgängig gemacht.


1.20 1.31 2.27 2.25 2.11 1.29 1.01 1.01 1.01





17 Installationen späterer Zeiten
Viele kleinere und grössere individuelle Massnahmen haben der Originalsubstanz arg zugesetzt. Vor allem hatten sehr improvisierte Sanitär-, Elektro-, Lüftungs- und Heizungsinstallationen massiven Einfluss ins Gefüge des wertvollen Hauses genommen. Ein verkehrt eingebauter Kühlschrank beispielsweise bedeutete einen brandgefährlichen Pfusch. Die Leitungen folgten dem Weg des geringsten Widerstandes. Viele Menschen haben aber nichts destotrotz grosse Einschränkungen im Wohnkomfort in Kauf genommen und das Gebäude damit am Leben erhalten.


1.08 2.21 2.32 1.14 1.28 1.03 2.28 2.04 E.08 E.16 2.06 1.27 E.18 1.10 2.11






18 Tapeten
Im Eckzimmer Freier Platz / Unterstadt des 2. Obergeschosses kamen die ältesten Tapeten zum Vorschein. Die Erste wurde direkt auf die ausgefachte Riegelwand, den Aussenmauerverputz, sowie die Bohlenzwischenwand appliziert. Auf der Rückseite der Bohlenwand befanden sich zwei weitere Tapeten. Eine beidseitig tapezierte Bohle konnte in letzter Minute noch sichergestellt werden? Ein Grundpapier besitzt das Datum 28. April 1887. Bei einer weiteren Tapete sind sogar die genaue Kollektion sowie die Auflage bekannt; 1895 kostete eine Rolle Fr. 1.45.
21


2.23 2.23 2.23 2.25 2.25 2.23 2.14

2.33 2.33 1.10 2.35 2.35



3. Teil: Fassaden


19 Giebelfassaden Süden und Westen
Das L-förmige Gebäude besitzt kopfseitig zwei Treppengiebel und vier traufseitige Fassaden. Einzig die südliche und westliche Giebelfassade sind im Kontext des ursprünglichen Gebäudes im Gassenraum heute noch erlebbar. Durch die Abbrüche zur Schaffung des Freien Platzes und der dem Verkehr geopferten rheinseitigen Gebäude haben die Ost- und Südansicht stark an Bedeutung gewonnen.
22 Rückfassaden wurden zu Hauptansichten. Die Wirkung des grossen Daches kommt erst dadurch zur Geltung. Die Treppengiebel-fassaden erhöhte man, um die Isolationsstärke (20cm). Beide einst zugemauerten Bogentoröffnungen im ersten Dachgeschoss des Südflügels und im zweiten Dachgeschoss des Westflügels wurden wieder geöffnet, jene gegen den Rhein als zusätzliche Lichtquelle und jene zum Läufergässli als Zuluft der Klimaanlage. Um den Hof nicht mit einem zusätzlichen Nebengebäude zu verstellen, wurde die Klimaanlage auf die Nordseite ins zweite Dachgeschoss verlegt. Bei der Öffnung auf der Südseite wurde auf die Entfernung eines später eingebauten Sturzes aus statischen Überlegungen verzichtet, ein Hinweis vielleicht, dass sich in diesem Gebäude etliche Ungereimtheiten im Laufe der Zeit angesammelt haben. Bei einem Fenster existiert noch ein Holzgewände, bei welchem die Sohlbank nun in Sandstein ersetzt wurde. Der Eingang Unterstadt 10 wurde vermutlich unter Verwendung der bestehenden Türe 1892 ins Läufergässchen versetzt. 23 Der Verputz aus den 1950er Jahren wurde belassen.


PK WA 1.33 D.3.30


20 Ansicht Norden mit Veränderungen
Die Nordfassade wurde nicht verändert, der Verputz jedoch erneuert. Der Eingang Unterstadt 1 wurde stillgelegt und liegt, nach aussen sichtbar, hinter den Regalen von SPAR. Der ehemalige Eingang 3 wurde ins Schaufenster integriert. Der später angebrachte Verputz wies Hohlstellen auf und wurde einmal mehr erneuert. Der Bruch des Gesimses bei den 3- und 4-teiligen Fenstern im 1. Obergeschoss des Westflügels (1.01) zeigt, dass die Fenster später verändert wurden. Die ursprünglichen Fenster waren kleiner und zwei- bzw. vierteilig. Dies entsprach der Fensterteilung der anderen Häuser. Die teilweise Freilegung im Innern zeigt den unpassenden Stichbogen. Der noch vorhandene Schlussstein lag damals zwischen den Fenstern bzw. den Räumen wie bei den andern entsprechender Häuser. Die Belichtung mit je einem einteiligen und zweiteiligen Fenster entsprach damit jener des Eckzimmers gegen den Freier Platz.


NW 1.01 1.01 1.01 1.01 1.01 N N N





21 Ansicht Südwesthof mit Veränderung
Vor- und Nachzustand des Südwesthofes unterscheiden sich kaum merklich. Die Dachfläche wurde durch die neue Lichtführung etwas unruhiger. Die beiden übereinanderliegenden Fenster in der Ecke im Westflügel wurden verändert. Jenes im 2. Oberschoss wurde um einen Drittel vergrössert. Die prekären Lichtverhältnisse im Innern erforderten diese Massnahme. Um die sehr regelmässigen Übereinstimmungen von Form und Anordnung der Fenster in den beiden Geschossen nicht zu stören, wurde jenes im ersten Geschoss als blindes Fenster konzipiert. Aus statischen Gründen konnte es nicht geöffnet werden. Die Lichtverhältnisse machten dies auch nicht unbedingt notwendig. Am Südflügel wurden im 1. Obergeschoss zwei Fenstergewände wieder in den originalen Zustand gebracht. Hofseitig wurde das ganze arg beschädigte und z.T. mit Zement geflickte Kranzgesims wieder durchgängig in Sandstein erneuert. Dasselbe gilt auch für den Verputz. Im rohen Zustand zeigte sich, dass Bruch- und Ziegelsteinmaterial verwendet wurde. Der westliche Eckpfeiler bei der Giebelsüdfassade wurde nicht gestrichen und bildet das geflickte Pendant zum Eckpfeiler im Innern. Die etwas höheren neuen Dachgauben befinden sich an selber Stelle wie die alten. Eine zusätzliche Gaube im Westflügel kompensiert den Lichtverlust durch die Verlegung der Klimaanlage ins zweite Dachgeschoss.


SWS 1.31 2.20 SW SW SW 1.31



22 Ansicht Osten
Hier wurde an der Architektur nichts verändert. Der Verputz blieb erhalten. Alle Sandsteingewände wurden abgelaugt und wieder steingrau gestrichen. Auf die Wiederherstellung der Läden wurde aus betrieblichen Gründen bei den Staffelfenstern verzichtet. Sie waren bereits seit langer Zeit nicht mehr vorhanden. Die Beschläge und Rückhalter wurden jedoch belassen. Der einzige Gewölberaum des Gebäudes im Erdgeschoss wurde bei den Umbauarbeiten nicht tangiert. Darin befindet sich der Postomat. Eine Rekonstruktion der Landsknechtgruppe passte nicht in das Konzept der Erhaltung des
Status quo. Sie wurden mehrmals erneuert und 1965 durch den neuen Verputz in fragmentarischem Zustand ganz entfernt. 24 Darunter sollen sich früher einmal Tierdarstellungen befunden haben. 25 Spuren können keine mehr ausfindig gemacht werden. Die beidseitige Sichtbarkeit der Eckquader wurde aus ästhetischen Gründen an der Nordostecke bis ins 2. Obergeschoss weitergeführt. Auf Gauben im 2. Dachgeschoss wurde zu Gunsten des Ortsbildschutzes verzichtet.


O O NO O O O


23 Fenster
Die Fenster bildeten an diesem Gebäude leider kein Thema mehr. Allzu viele Typen in geringer Qualität und schlechtem Zustand waren vorhanden. Vom herkömmlichen Sprossenfenster über Vorfenster der zweiten Generation, Doppelverglasungen bis zum Plastikfenster mit innenliegenden Sprossen und markiertem Kämpfer an der ganzen Ostseite. Bei der nun durchgehend neuen Fensterlösung hat man sich für Holzfenster mit dreiteiligen, festen und aussenliegenden Sprossen entschieden.
26


1.31 1.13 O W S


24 Steinhauerarbeiten
Die Steinhauerarbeiten erfolgten sehr substanzschonend. Ersatzwerkstücke, Führungen oder Aufmodellierungen kamen je nach Gegebenheit und Erhaltungszustand des Sandsteins zur Anwendung. Das Schadenbild war gesamthaft nicht schlecht. Viele Fenstergewände wiesen bereits Reparaturstellen aus verschiedensten Zeiten in verschiedensten Qualitäten auf. Nicht alle betonierten Ersatzstücke der Gesimse wurden ersetzt. Anhand von Bemusterungen wurde der Unternehmer bestimmt.
27 Dem Wunsch nach Steinsichtigkeit wurde nicht entsprochen, da nach Ablaugung aller Farbschichten die Gesamtwirkung nicht befriedigte. Der Stein wurde wieder gestrichen.


2.05 1.16 1.13



25 Äussere Farbgebung
Unterschiedlich viele Farbanstriche wurden an den verschiedenen Fassaden angetroffen. Die ältesten Farbreste waren auf den Hoffassaden unter dem Dachvorsprung noch auszumachen. Ursprünglich wollte man sich strikte an die bestehende Putzfarbe halten. Grau der Ost bzw. Gelb der Nordfassade stand zur Auswahl. Nach verschiedenen Bemusterungen und einigen Beobachtungen in der Umgebung (das gelbe Schulhaus) verzichtete man aber auf Gelb und Grau zu Gunsten der Farbe des hellen Putzes. Die Farbe der Fenster passt dazu, obwohl sie noch im Zuge des Gelbtones festgelegt und nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Das Holzwerk der alten Hauseingangstüren wurde heller gestrichen, damit die Profilierung besser zur Geltung kommt.


NO SW W N


26 Innere Farbgebung
Ganz vereinzelt stiess man auf Fragmente von Wandbemalungen. Die sehr verschiedenen Täfer aus verschiedenen Zeiten mit mehrfachen Übermalungen verursachten einiges Kopfzerbrechen. Nach verschiedenen einzelnen Bemusterungen, einigte man sich auf ein helles Grau, weil eine individuelle Behandlung im Rahmen dieser Gesamtsanierung von Mietwohnungen fraglich erschien. Als weiteres „Schlaglicht“ sind im Raum … ein Wand- und Deckenfeld des Täfers freigelegt. Die eindrückliche Grösse der ursprünglichen Bretter und ihrer Originaloberfläche sind interessant.


2.01 2.01 2.13 1.22 1.06 2.13



4. Teil: Dachgeschosse


27 Dreigeschossiger Dachstuhl
Der dreigeschossige Dachstuhl bildet ohne Zweifel den aussergewöhnlichsten Teil des ganzen Gebäudes. Seine gefächerten Balken- und Sparrenlagen finden kein Seinesgleichen weit und breit. Eine Erklärung darauf zu finden ist nicht einfach. Die eindrückliche Hängekonstuktion, um einen stützenfreien Lagerraum im 1. Dachgeschoss zu erhalten, ist unklar. Einige Kriterien gibt es zu bedenken: Das Eigengewicht des doppelt gedeckten Dachstuhls, die Entlastung des ersten Dachbodens (liegender Dachstuhl) sowie das Gewicht des Lagergutes im ersten und zweiten Dachgeschosses. Holz war mehr als genug vorhanden
28 und die Bauzeit sehr kurz bemessen. Die minimal bearbeiteten Balken und ihre geringen Abstände zeigen dies. Das erste Dachgeschoss ist somit stützenfrei und das zweite kann, dank der Steilheit des Daches, ebenfalls gut genutzt werden. Der Kehlboden bietet nun genügend Platz für die grossen Installationen der Lüftungsanlage. Um die alte Sparrenlage integral sichtbar zu erhalten wurden sie aufgedoppelt. Im Abstand von zwei Metern wurden sie miteinander verschraubt. Die massive, zu den Aussenwänden parallel verlaufende Innenwand ist, wie bereits erwähnt, nur eingeschossig und liegt nicht genau unter dem First des Gebäudes. Sie trägt keine Dachlasten.
Auch hier folgte die Revitalisierung weitgehend dem Konzept
Status Quo. Dies führte zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Belichtung der neuen Nutzflächen. Analog den alten Gauben wurden auch die neuen schräg versetzt, um den schrägen Sparren Rechnung zu tragen. Die Öffnungen der Dachdurchbrüche der abgebrochenen Kamine bilden eine überraschende Lichtquelle und veranschaulichen im Innern die immense Höhe und Steilheit dieses einzigartigen Dachs. Das Streiflicht bringt die Oberflächen der 500-jährigen Balken zur Wirkung. 29 Ursprünglich war geplant, alle noch brauchbaren Balken der Erdgeschossdecke im Galeriegeschoss wieder zu verwenden. Der Aufwand erwies sich leider als zu gross, sodass nun lediglich vier Felder im Südflügel mit 500-jährigem Holz neu belegt sind. Die originalen Bretter des Dachbodens konnten leider weder erhalten noch wieder verwendet werden.


DS DW DO DW W W DW DW


28 Dachstuhlsanierung
Die Stabilisierungsmassnahmen erfolgten nach dem Prinzip des minimalen Eingriffs. Dabei kamen Metallteile und Ersatzhölzer zur Anwendung, wie in früheren Zeiten auch. Weil sich der Dachstuhl als Ganzes in einem, seinem Alter entsprechend sehr guten Zustand befand, hielten sich die Einzelmassnahmen im Rahmen.
30 Die Verstärkung der Hängepfosten 1, 2 und 3 sowie der Grat/Kehlbinders erfolgten mittels Stahlteilen. Diese Massnahmen sind platzsparender und kostengünstiger. Die zweiteiligen Hängepfosten halten zangenartig den doppelten Längsträger. Der „Obergurt“ ist etwas breiter, sodass beide Balken separat vom Vorholz der Hängepfosten gehalten werden. Nur zwei Holzzapfen dienen der Sicherung der beiden Balken unterhalb des Längsträgers. Einige Vorhölzer waren gebrochen. So mussten alle frei hängenden Pfosten in diesem Punkt verstärkt werden. Die übrigen wurden mit Neubauteilen teilweise gestützt. Wenn diese Balkenquerschnitte auch nicht mehr ganz sichtbar sind, so blieben sie wenigsten erhalten. Eine spezielle Massnahme bildet dabei ein Betonpfeiler, der durch das ganze Gebäude verläuft 31 . Er ermöglicht, dass unter dem augenfälligsten und wichtigsten Hängepfosten 2 in der Mitte des Gebäudes keine zusätzliche Stützmassnahme benötigt wurde. Auch dieser wurde, unter Verlust des Vorholzes, mit Metallplatten verstärkt. 32


DS DW DW DW DS DO DW



29 Fassadensicherung
Die beiden Giebelfassaden waren ungenügend gesichert, die Westfassade sogar akut gefährdet. Die bestehenden Verankerungen auf der Ebene des Kehlbodens waren ungenügend. Beide Giebelfassaden sind nun über die Dachfläche und die Böden des ersten und zweiten Dachgeschosses verankert. Die belassene alte Sicherungsart bietet einen interessanten Vergleich. Sie wirkt sehr dürftig.


SDS DS DS DS S


30 Dacheindeckung
Die Dachflächen gegen den freien Platz und gegen den Rhein bilden den wohl wichtigsten ästhetischen Aspekt für das Stadtbild von Schaffhausen. Die Wiederverwendung der vorhandenen Ziegel war einer der entscheidendsten Schritte zu Gunsten des Ortsbildes. Das vorhandene Material reichte aus, weil das Dach mit neuem Unterdach nur noch einfach eingedeckt wurde. Auf dem Dach befinden sich heute noch 17500 der ursprünglichen 28000 Ziegel.
33 Die Dachflächen wurden ständig in Stand gehalten und mit den verschiedensten Biberschwanz-Ziegelarten ergänzt. Die Ziegel verschiedenen Alters verleihen dem Dach seine Lebendigkeit und Masstäblichkeit. Die Einfachdeckung wurde in früheren Zeiten vorwiegend bei Nebenbauten verwendet. Im Bereich von vier Feldern des Südflügels sind die alten Dachlatten als weiteres Schlaglicht noch erhalten. Sie zeigen authentisch, dass das Dach einst doppelt gedeckt war.


SW O SW DS DW

SW SW O O O W O


31 Fundgegenstände


2.06 E.15 E.09



Religiöses Nebo 1728

Freude unter uns / an der unseligen Pein und Qual der Verdammten / von dero wir erlöstet sind. Freude neben uns / an der schönen und himmlischen Wohnung / an der erwünschten Gesellschaft aller h. Engeln und Menschen.“




Vergleichsobjekte in der Region
Einige Gebäude in und um Schaffhausen lassen gewisse Verwandtschaften zum Schweizerhof erkennen. Die Konstanzische Schütte
34 in Schaffhausen wurde gleichzeitig wie der Schweizerhof als Bischöfliches Amtshaus 1528 erstellt. Die Treppengiebel und die Fassadengliederungen des Haus zum Fels 35 entsprechen jenen des Schweizerhofes. Das schlichte, spätgotische Gemeindehaus von Merishausen 36 erinnert ebenfalls an den Schweizerhof. Die Rundbogentüre des Hauseinganges und der grössere Rundbogen als Zugang zum Ökonomieteil sind hier noch erhalten. Beim Schweizerhof sind nur noch zwei Eingangstüren vorhanden, während die einst grösseren Öffnungen nur noch im Mauerwerk ansatzweise erkennbar sind. Mit dem Treppengiebelhaus Brotlaube in Stein am Rhein 37 teilt der Schweizerhof die Entstehungszeit. Auf einem Kapitell eines Fensterpfeilers aus Sandstein steht die Jahreszahl 1524.
Im Dachgeschoss des
Aazheimerhof Neuhausen 38 , einst die Sommerresidenz der Rheinauer Äbte, wurden vor allem die Hafer- und Weizenerträge gelagert.



32 Zusammenfassung



Eine Gesamterneuerung in diesem Umfang bringt sehr viele Überraschungen. Sehr viele Menschen haben sich bereits mit diesem Gebäude auseinandergesetzt und ihre persönlichen Spuren hinterlassen. Jeder hat mitgeholfen, das Gebäude am Leben zu erhalten. So ist ein Gebäude nie fertig, es sei denn, es wird abgebrochen. Unzählige interessante Spuren aus den unterschiedlichsten Zeiten überlebten und gingen dabei aber immer auch wieder verloren. Die Devise dieser Renovation lautete nicht, einen bestimmten Zustand des Gebäudes speziell hervorzuheben. Im Gegenteil: Allen Veränderungen wurde in gewisser Weise Rechnung getragen, wobei der angetroffene Zustand die Hauptrolle spielte. 1892 erfuhr das Gebäude erhebliche Veränderungen vor allem im Erdgeschoss. Gegen die Unterstadt wurden die Rundbogenöffnungen durch moderne rechteckige Schaufenster ersetzt. Zwei originale Eingänge zur Unterstadt hin blieben jedoch erhalten.
An diesem Gebäude wurde 1892 und 1956 modern und traditionell umgebaut. Modern kann der Einbau der Schaufenster an der Nord- und Ostfassade bezeichnet werden. Das Fassadenbild wurde im Erdgeschoss sehr rigoros verändert und die historische Bausubstanz alles andere als geschont. Im Erdgeschoss des Westflügels auf der Südseite wurden gotische Fenster durch eine grosse Rundbogenöffnung in Angleichung an die bestehenden ersetzt. Und selbst 1956 erstellte man als Zugang zum Restaurant, auf der Seite des Freien Platzes, wieder einen traditionellen Torbogen. In beiden Fällen kommt die Wertschätzung der Anpassung zum Ausdruck. Das Zeigen von wiederverwendeten Bauteilen entspricht einer romantischen Auffassung von Denkmalpflege. In diesem Sinne passt das eingeschlagene Konzept der
Schlaglichter zur Tradition dieses Gebäudes. Im Endeffekt gereichten die Projektänderungen im Allgemeinen zum Vorteil und zur Erhaltung des Status Quo und seiner architektonischen sowie denkmalpflegerischen Wirkung.




Schlussfolgerungen
Grosse Flexibilität aller Beteiligten während der Planung und der Ausführung
39 konnte den Verzicht auf eine aufwändige Bauuntersuchung grössten Teils wettmachen. Das ursprüngliche Projekt wurde mehrfach abgeändert und verbessert und zwar im Einklang mit den denkmalpflegerischen Erfordernissen und den Wünschen des Bauherrn. Jede Revitalisierung ist der Erhaltung und Veränderung unterworfen. Es ist dies eine Gratwanderung zwischen neuer Nutzung, Erhaltungswünschen und finanziellen Möglichkeiten. Das Projekt zeichnet sich aus in der Erhaltung einer 500jährigen Raumstruktur welche wieder zeitgemäss bewohnbar gemacht wurde. Trotz stark strukturierter gemeinsamer Infrastruktur sind alle acht Wohnungen sehr verschieden und abwechslungsreich.













wichtige Daten:
1529–1530 erbaut als Scheiben- oder Salzhof: öffentliches Lagerhaus mit Beamtenwohnungen. Salz wurde in Scheiben angeliefert, daher der Name.
1673 Das Salzlager wurde ausserhalb der Stadtmauern angelegt.
1817 Eigentümer: das löbliche Säckelamt (Brandkatasterbuch)
Säckelamt drei Wohnungen im Westflügel: Verwalter Waagmeister und Hofknecht im Südflügel: zwei Wohnungen und Bestätterei
1842 Abbruch des Wasserhofes und Schaffung des freien Platzes
1842 Abbruch des Brückenturms
1864/66 Wasserwerkgesellschaft: Neben Wohnungen auch Bürobetriebe
1892 Kauf durch Magdalena Hutterli-Rickenbach
1892 Eröffnung des Restaurants Schweizerhalle mit Tanzsaal und Bühne am 11. September
1930 Kauf durch Hermann Hutterli
40
1946 Rehmann-Salzmann
1956 Umbauarbeiten und Namensänderung in Schweizerhof
41
1960 Der Schweizerhof geht an die Wirtefamilie Rehmann-Salzmann
2005 Schliessung des Restaurants
2009 Erwerb durch die Kornhaus Liegenschaften Schaffhausen AG mit Carlo Klaiber


Die Quellenlage

Akten aus dem Staatsarchiv

Akten aus dem Stadtarchiv


30. Oktober 2014



Fussnoten

1 Maya Orbann, Der Schweizerhof in Schaffhausen, Diplomarbeit ETH-Zürich, April 2008
Die Raumnummerierung wurde daraus übernommen.


2 Renzo Casetti, Schaffhausen Schweizerhof Umbau und Renovation, Erhaltungskatalog / Schutzumfang
13. März 2012 .


3 ARB Partner Architekten Schaffhausen Pläne vom 29.08 2009


4 ARB Partner Architekten Schaffhausen.


5 Spar Express Schaffhausen Schweizerhof Projektdokumentation Atelier dipl. Ing. Bernhard Bügelmayer.


6 Stellungnahme Revitalisierung Schweizerhof, Schaffhausen, Wüst Rellstab Schmid AG, 30. Juli 2012 und

Renzo Casetti; Stellungnahme von Renzo Casetti vom 7.8.2012 z.Hd. der kantonalen Denkmalpflege SH.


7 In der Sägerei Tanner in Merishausen.


8 Nägel und Eisenteile erschwerten leider den Schnitt, sodass man die gut gemeinte Übung nicht zu Ende bringen konnte.


9 In den Plänen jeweils mit Grün bezeichnete Stellen (Wandteile und Balken)


10 Frauenfelder Reinhard, Die Kunstdenkmäler des Kantons Schaffhausen, Basel 1959, S. 239 ff.


11 Gemäss Handnotiz von Harder? 1936 befand sich die ursprüngliche Tafel an der Nord-Fassade zur Unterstadt.


12 Kihm Restauro, Schweizerhof Schaffhausen, Winterthur;

Kaufmann Michael. Atelier für Restaurierungen Muri, 6. Juni 2013.


13 Vgl. Bericht Kurt Bänteli, Archäologie Schaffhausen.


14 Vgl. Bericht Kurt Bänteli, Archäologie Schaffhausen folgt

Vgl. Schaffhausen um 1200 – Nach der Boomstadt der Nellenberger eine mittelalterliche Stadt wie andere auch, Schaffhausen ….


15 Vgl. Bericht BAUMBÜRO, Zürich 2010


16 Es gibt zwei Untersuchungen : Dach: Dendron, raymond kontic, Basel 2008. – Wände: Stadt Zürich, Amt für Städtebau, Labor für Dendrochronologie Zürich 2011.


17 Vgl. Bericht und Entzifferung Kihm Restauro, Kollbrunn 2011.


18 Renzo Casetti, Schaffhausen Schweizerhof, Umbau und Renovation, Erhaltungskatalog / Schutzumfang

13. März 2012 .


19 Vgl. Bericht Kurt Bänteli, Archäologie Schaffhausen … Einwohnerverzeichnis …?


20 Vgl. Pläne Krattiger AG Ingenieurbüro für Holzbau


21 Das Unternehmen wurde 1888 als Tapetenmanufaktur in Basel gegründet. Mit der Zeit entwickelte sich der Handel mit Tapeten zur Haupttätigkeit und die Produktion wurde in den 1960er Jahren eingestellt. Heute ist die Firma zu 100% im Besitz der Familie Corrodi.

22 Vergl. Stadtansichten Weigele und Rohr.

23 Depot Baugeschäft Klaiber

24 Maya Orbann, Der Schweizerhof in Schaffhausen, Zürich, April 2008 S. 25.

25 Landsknechtgruppe: Kunstdenkmäler Des Kantons Schaffhausen, Basel 1951, S. 239.

26 Entgegen der Baueingabe mit vierer Teilung

27 Vergl. Bericht Steinhauer Meier und Lehmann, Siblingen

28 Nach heutiger Berechnungsweise beliefe sich der Wert dieses Dachstuhls auf ca. Fr. 390‘000.- (Fr. 960.-/m3)

29 Vgl. Renzo Casetti, Stellungnahme zur Nacheingabe, 27. September 2013.

30 Vgl. Pläne Krattiger AG Ingenieurbüro für Holzbau

31 Aussage von Carlo Klaiber: Das ist der teuerste Pfeiler der Firmengeschichte

32 Vgl. Pläne Krattiger AG Ingenieurbüro für Holzbau

33 Dachdecker U. Brunner AG, Neunkirch

40/25Stk/m2 Doppel/Einfachdeckung

34 Die Kunstdenkmäler des Kantons Schaffhausen Bd.1, S.240

35 Die Kunstdenkmäler des Kantons Schaffhausen Bd.1, S.400

Das Bürgerhaus der Schweiz VI: Band Schaffhausen, Zürich 1946 S. 28 44-46/48

36 Die Kunstdenkmäler des Kantons Schaffhausen Bd.3, S.123

37 Die Kunstdenkmäler des Kantons Schaffhausen Bd.2, S.264

Das Bürgerhaus der Schweiz VI: Band Schaffhausen, Zürich 1946 S. 112-113

38 Die Kunstdenkmäler des Kantons Schaffhausen Bd.3, S.145

Das Bürgerhaus der Schweiz VI: Band Schaffhausen, Zürich 1946S. 52 106-107

39 An dieser Renovation waren 44 verschiedene Unternehmer beteiligt.

40 Von 1930-2006 erfolgten 8 Bagatell-Baueingaben (Bericht Orbann 2008)

41 Auch Namen sind Veränderungen unterworfen: Vgl. Kurt Bächtold, Schaffhauser Nachrichten, 1.9.1956:
«Diese Namensänderung verdient ein Lob, denn im Doppelwort “Schweizerhalle“ ging der Name unseres Landes eine unrühmliche Mischehe ein mit jener Deutschtümelei, die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zusammen mit Bismark und Wilhelm II. aufkam, …».